Einzelne wichtige Alkene

Die gasförmigen Alkene, Ethylen, Propylen und die Butene, in der Technik häufig Olefine genannt, haben sich in den letzten Jahren zu den wichtigsten Ausgangsstoffen der organischen Industrie entwickelt. Sie sind zu organischen Grundchemikalien oder Primärchemikalien geworden, weil sie sehr reaktionsfähig und daher vielen Reaktionen zugänglich sind. Aus den Olefinen werden wertvolle neue Stoffe hergestellt, die ihrerseits als Zwischenprodukt zu weiteren Stoffen verarbeitet werden können. Für dieses Arbeitsgebiet hat man deswegen den Namen Olefin-Chemie geprägt. Das Vordringen der Olefine ist aber auch dadurch zu erklären, daß ihre leichte und rationelle Herstellung aus Erdöl oder Erdgas durch moderne Verfahren möglich wurde.

 

Ethylen

Das Ethylen C2H4 ist das einfachste und am leichtesten zugängliche Olefin und hat die größte Bedeutung unter allen Olefinen in der Technik erlangt. Im Laboratorium hat Ethylen als Ausgangsstoff keine Bedeutung.

Ethylen entsteht als Nebenprodukt bei der Verkokung der Kohle und ist daher im Leuchtgas (Kokereigas) enthalten. In größeren Mengen fällt es, ebenfalls als Nebenprodukt, bei Crack-Verfahren zur Herstellung von klopffesten Benzinen an. Diese mengenmäßig nur geringen Quellen können jedoch den großen Bedarf der chemischen Industrie an C2H4 nicht decken.

Es wurden deshalb besondere technische Verfahren entwickelt, um Ethylen vor allem auf der Basis Erdöl und Erdgas, aber auch nach anderen Methoden herzustellen. Das Ethylen, aber auch die anderen Olefine haben deswegen so große Bedeutung erlangt, weil sie besonders aus diesen Rohstoffen billig herzustellen sind.

 

Technische Gewinnung von Ethylen

1. Aus Kokereigas. Nach Verflüssigung des Kokereigases kann durch Tieftemperaturdestillation Ethylen abgetrennt und in reiner Form gewonnen werden.

2. Aus Raffineriegasen. Die Abgase der Crackverfahren, die Paraffine und Olefine nebeneinander enthalten, werden nach Verflüssigung durch Tieftemperaturdestillation in die einzelnen Komponenten zerlegt.

3. Aus gesättigten Kohlenwasserstoffen (Alkanen), besonders aus Ethan C2H6 und Propan C3H8, aber auch aus Leichtbenzin, durch thermisches Cracken bei etwa 800 °C ohne Katalysator:

aus Ethan: C2H6 → C2H4 + H2 Dehydrierung
aus Propan: C3H8 → C2H4 + CH4 Methan-Abspaltung

Die Ausbeute an Ethylen und die entstehenden Nebenprodukte, die zum Teil auch wichtig sind, zeigt die Tabelle.

Ausgangsprodukte Gasgemisch nach der Spaltung (Vol.-%)
H2 CH4 C2H2 C2H4 C3H6 C4H8 C2H6 C3H8 C5, C6
C2H6 34,0 5,4 0,2 33,0 0,5 -- 26,0    
C3H8 14,0 36,0 0,3 28,0 8,0 0,3 5,0 5,0  
Leichtbenzin 9,9 27,6 0,1 20,3 13,1 5,6 7,7 1,7 12,2

Technische Durchführung: Die gasförmigen oder verdampften Rohstoffe werden bei normalen Druck zusammen mit Wasserdampf durch Röhren geleitet, die in einem besonderen Ofen (Röhrenofen genannt) durch Verbrennen von Heizöl oder Heizgas auf 820 °C erhitzt werden. Nach der Spaltung wird das heiße Reaktionsgemisch durch Berieseln mit Wasser gekühlt, um die entstandenen Olefine vor Zersetzung zu bewahren. Das Gasgemisch wird dann verflüssigt und durch Tieftemperaturdestillation  in die Einzelverbindungen zerlegt.

4. Aus Roherdöl oder den Siedefraktionen und Siederückständen des Erdöls durch Cracken bei Temperaturen über 600°C.

5. Aus Acetylen durch teilweise (partielle) Hydrierung, ohne Druck, bei 270 °C und mit Palladium auf stückigem Kieselgel (SiO2) als Katalysator:

C2H2 + H2 → C2H4

Verwendung des Etylens

C2H4

+ O2 Ethylenoxid; Folgeprodukte: Glykol, Ethanolamine, Acrylnitril
+ O2 Acetaldehyd; Folgeprodukte: Essigsäure, Ethylalkohol, Acetaldol (Crotonaldehyd), Ethylacetat, Acrylnitril
+ Benzol Ethylbenzol; Folgeprodukte: Styrol
+ H2O Ethylalkohol; Folgeprodukte: Acetaldehyd, Butadien-(1,3)
+ HCl Ethylchlorid; Folgeprodukte: Bleitetraethyl
+ Cl2 1,2-Dichlorethan; Folgeprodukte: Vinylchlorid
Polymerisation Polyethylen; Kunststoff

 

Propylen

Propylen C3H6 ist ebenso wie Ethylen ein unentbehrlicher Ausgangsstoff der Olefinchemie geworden, wenn auch die benötigten Mengen wesentlich kleiner sind.

Es fällt zwangsläufig bei allen der Herstellung von Ethylen dienenden Verfahren als Nebenprodukt an, wenn man von Erdöl oder dessen Fraktionen und Rückständen ausgeht. Wählt man Propan als Ausgangsstoff und führt das Cracken unter Zusatz eines Katalysators durch, so erzielt man eine gute Ausbeute an Propylen:

C3H8 → C3H6 + H2 Dehydrierung

Gegenüberstellung:

Propan - Spaltung bei Temperaturen über 600 °C:

ohne Katalysator: C3H8 → C2H4 + CH4 Methan - Abspaltung
mit Katalysator: C3H8 → C3H6 + H2 Dehydrierung (H2-Abspaltung)

Verwendung des Propylens

C3H6

+ H2O Isopropanol; Folgeprodukt: Aceton
+ Benzol Cumol; Folgeprodukte: Phenol, Aceton
+ Cl2 Allylchlorid; Folgeprodukt: Glycerin
+ NH3(+O2) Acrylnitril; Folgeprodukt: Chemiefaser
+ Oxo-Synthese n-, i-Butyraldehyd; Folgeprodukte: Butanole
Polymerisation Tripropylen; Folgeprodukt: Nonylphenol
  Polypropylen; Kunststoff
  Polymerbenzin

Butene

Technische Gewinnung:

1. Bei allen Crackprozessen, die zur Herstellung von Benzinen, Ethylen oder anderen Produkten durchgeführt werden, fällt eine sogenannte ungesättigte C4-Fraktion an, die auch die isomeren Butene in wechselnder Zusammensetzung enthält. Die Trennung dieses Gemisches in die reinen Isomere ist äußerst schwierig.

2. Aus n-Butan

n-C4H10 →Dehydrierung → 25% Buten-(1), 75% Buten-(2)
n-C4H10 →Isomerisierung → Isobutan → Dehydrierung → Isobuten

Die einzelnen Butene sind Ausgangsstoffe für folgende Verbindungen:

Buten-(1): Butadien, sek. Butanol

Isobuten: Tert. Butanol, Butylkautschuk, Polyisobuten (Kunststoff), Alkylatbenzine

 

Höhere Olefine

Die auf die Butene folgenden "höheren" Olefine treten mit vielen Isomeren auf, deren Reindarstellung große Schwierigkeiten bereitet. Nur einzelne Verbindungen haben deswegen technisches Interesse gefunden.

Olefine im Bereich C10 bis C18 mit gerader Kette und endständiger Doppelbindung haben Bedeutung als Aufbauverbindung von Waschrohstoffen. Daneben werden sie bei der Oxo-Synthese eingesetzt, um Fettalkohole herzustellen.

 

Technische Gewinnung

1. Aus Propylen durch Polymerisation. Wichtig ist Nonylen (Tri-propylen).

2. Aus Paraffin (oder Paraffingatsch) durch thermisches Spalten. Eine ausgesuchte Paraffin-Fraktion wird durch Erhitzen auf 580 °C rein-thermisch, d. h. ohne Katalysator, aber unter Zusatz von Wasserdampf gespalten. Es entstehen: 30 % gasförmige Kohlenwasserstoffe C1 bis C4 und 70 % flüssige Crackprodukte, die zu 90 % Olefine mit endständiger Doppelbindung sind.