Besondere Merkmale der Doppelbindung der Alkene

Die Verknüpfung zweier C-Atome durch Doppelbindung stellt einen neuen Bindungstyp dar, dessen Merkmale verständlich werden, wenn die anschauliche Größe des Abstandes der beiden an der Bindung beteiligten Atome, der Atomabstand, berücksichtigt wird.

Bindung

Atomabstand

(in Å)

Bindungsenergie1)

(in kcal/Mol)

C-C

Einfachbindung

1,54 80

C=C

Doppelbindung

1,34 145

1) Unter Bindungsenergie versteht man den Energiebetrag, der bei der Bindung frei wird oder beim Zerstören der Bindung von außen aufgebracht werden muss, z. B. durch Wärmezufuhr beim Cracken.

Der Abstand für die (C=C) - Doppelbindung, z. B. im Ethylen und den anderen Alkenen, beträgt 1,34 Å, d. h. gegenüber der (C-C) - Einfachbindung (Abstand: 1,54 Å) ist eine Verkürzung um 0,2 Å eingetreten. Daraus kann gefolgert werden, daß das zusätzliche Elektronenpaar an der Verknüpfung der beiden C-Atome neben der Einfachbindung mit beteiligt ist. Die C-Atome werden stärker miteinander verbunden und der Abstand wird verringert. Ferner führen die beschriebenen Modelle und die Schreibweise für die Doppelbindung zu der Annahme, daß hier zwei "gleichwertige" Bindungen (genauer: Bindungselektronenpaare) vorliegen, die beide mit gleicher Stärke die C-Atome verknüpfen.

Gegen diese Annahme sprechen aber zwei Gründe:

1. Durch das zweite Elektronenpaar der Doppelbindung wird nicht die doppelte Bindungsfestigkeit erreicht, wie ein Vergleich der Bindungsenergien zeigt. Sein Bindungscharakter ist also nicht unmittelbar mit dem einer normalen Einfachbindung vergleichbar; eine Doppelbindung besteht nicht aus zwei Einfachbindungen, wie wir sie von den Alkanen kennen.

2. Unter Berücksichtigung der Reaktionsträgheit (Für die Reaktionsfähigkeit eines Moleküls ist die Festigkeit der Bindungen der Atome untereinander im Molekül maßgebend, da bei Reaktionen vorhandene Bindungen gelöst und neue aufgebaut werden. Je fester eine Bindung ist, desto reaktionsträger ist das Molekül an dieser Stelle.) der Alkane (mit Einfachbindung zwischen den C-Atomen) sollte man erwarten, daß doppelt und damit fester gebundene C-Atome sich noch reaktionsträger verhalten. Das gegenteilige Verhalten wird aber beobachtet; die große Reaktionsfähigkeit der Alkene, in ihnen reagiert die Doppelbindung, steht also im Gegensatz zu der angenommenen festeren Verknüpfung zweier C-Atome mittels einer Doppelbindung.

Einem Elektronenpaar der Doppelbindung müssen also besondere Eigenschaften zugeordnet werden. Man unterscheidet deswegen bei Doppelbindungen zwischen dem normalen Bindungselektronenpaar (σ-Bindung, σ-Elektronen, Einfachbindung), das ausreicht, zwei C-Atome wie in den Alkanen zu verbinden, und dem zusätzlichen Elektronenpaar (π-Bindung, π-Elektronen) mit besonderen Eigenschaften. Die Bedeutung dieser Unterscheidung wird später durch das Verhalten dieser Verbindungsklasse bei chemischen Reaktionen besonders offenkundig hervortreten.

Zusammenfassung und Folgerungen: Das für das Ethylen C2H4 abgeleitete Modell gibt den

 

räumlichen Aufbau dieser Verbindung richtig wieder und lässt sich auch auf die weiteren Glieder dieser Verbindungsklasse übertragen. Dagegen werden die Bindungsverhältnisse der Doppelbindung von diesen Modellen nicht richtig dargestellt. Beide Elektronenpaare der Doppelbindung erscheinen als gleichwertig, sind es aber in Wirklichkeit nicht. Man unterscheidet vielmehr σ- und π- Elektronenpaare, erstere für die normale Einfachbindung, letztere für die zusätzliche Bindung mit besonderen Merkmalen. Doppelbindungen bestimmen den Charakter des ganzen Moleküls und sind verantwortlich für die besondere Reaktionsfähigkeit der Alkene; hierbei spielen die π-Elektronen eine besondere Rolle.