Fluor-chlor-alkane

Die Fluor-chlor-alkane sind eine besondere Gruppe von Verbindungen unter den Halogenalkanen, die in letzter Zeit große technische Bedeutung erlangt haben. Die Ursache dafür ist eine Reihe von herausragenden Eigenschaften dieser Verbindungen.

Fluor-chlor-alkane sind die wichtigsten organischen Fluor-Verbindungen. Sie entstehen, wenn in Alkanen die H-Atome durch Fluor und Chlor ersetzt werden. Von Bedeutung sind dabei vorwiegend die Derivate des Methans und Ethans, z. B.

vom Methan: CHClF2, CCl2F2, CClF3 usw.

vom Ethan: CCl2F-CCl2F, CClF2-CCl2F usw.

Eine gewisse Übersicht über diese Verbindungen erhält man, wenn man, dem Herstellungsgang folgend, vom Tetrachlorkohlenstoff CCl4 und Chloroform CHCl3 ausgeht und die Cl-Atome nacheinander durch Fluor ersetzt:

z.B. CCl4, CCl3F, CCl2F2, CClF3, CF4 und

CHCl3, CHCl2F, CHClF2, CHF3

Die Ethanderivate sind nicht so übersichtlich zu ordnen, haben aber auch geringere Bedeutung.

 

 

Bezeichnung der Fluor-chlor-alkane durch Handelsnamen und Kennzahlen.

Die Fluor-chlor-alkane werden in den USA unter der Handelsbezeichnung Freone und in Deutschland unter Frigene geführt. Beide Bezeichnungen beginnen mit dem Buchstaben F, den man der Kennzahl voranstellt.

Die chemische Zusammensetzung gibt man durch ein Bezifferungssystem an, das heute in der internationalen Fachliteratur allgemein gebräuchlich ist.

Die Verbindung wird zerlegt in die Bestandteile

C H Cl F

 

Die Kennzahl ist eine dreistellige Zahl, z. B. F021 für CHCl2F:

Letzte oder rechte Ziffer: Zahl der F-Atome (hier: 1)
Vorletzte oder mittlere Ziffer - 1: Zahl der H-Atome (hier: 2-1=1)
Drittletzte oder erste Ziffer + 1 Zahl der C-Atome (hier: 0+1=1)
Restvalenzen des Kohlenstoffs: Zahl der Cl-Atome (hier: 2)

Weitere Beispiele:

F12, muss genauer heißen F 012 CCl2F2

Fluor: 2 Atome

Wasserstoff: 1 - 1 = 0 Atome

Kohlenstoff: 0 + 1 = 1 Atom

Chlor: 2 Atome (Restvalenzen eines C-Atoms)

F23 (F 023) CHF3

Fluor: 3 Atome

Wasserstoff: 2 - 1 = 1 Atome

Kohlenstoff: 0 + 1 = 1 Atom

Chlor: 0

F122 C2HCl3F2

Fluor: 2 Atome

Wasserstoff: 2 - 1 = 0 Atome

Kohlenstoff: 1 + 1 = 2 Atome

Chlor: 3 Atome ( 3 Restvalenzen zweier C-Atome)

Die Null als erste Ziffer lässt man gewöhnlich fortfallen, d. h. F12 an Stelle von F 012, so dass sich für die Methan-Abkömmlinge eine zweistellige und für die Ethan-Abbkömmlinge eine dreistellige Kennzahl ergibt. Bei Ethan-Derivaten ist die Bezeichnung nicht mehr eindeutig, da Isomere unberücksichtigt bleiben. Für Propan und höhere Verbindungen, die aber keine Bedeutung mehr haben, ist das genannte Bezifferungssystem unbrauchbar.

Einige Fluor-chlor-alkane können zusätzlich Brom-Atome an Stelle von Cl-Atomen im Molekül enthalten. Man legt dann die Bezeichnung der Fluor-chlor-Verbindung zugrunde und bezeichnet die Zahl der durch Brom ersetzten Cl-Atome mit einem nachgesetzten B (Brom) und der entsprechenden Ziffer, z. B. 2 (2 Brom-Atome haben 2 Cl-Atome ersetzt).

Beispiel: F 13 B 1  Trifluor-brom-methan CBrF3.

 

 

Physikalische und chemische Eigenschaften

Fluor-chlor-alkane (Frigene) sind, soweit sie technische Bedeutung haben, Gase oder niedrigsiedende Flüssigkeiten.

In den Siedepunkten zeigt sich eine interessante Gesetzmäßigkeit, die von der chemischen Zusammensetzung der Verbindungen abhängt. Geht man von CH4 aus und chloriert diese Verbindung stufenweise bis zum CCl4, so steigt der Siedepunkt gleichmäßig an:

Molekül CH4 CH3Cl CH2Cl2 CHCl3 CCl4
Siedepunkt -162 °C -24 °C 40 °C 61 °C 77 °C

 

Name Formel Kennzahl Molekulargewicht Sdp. [°C]
Fluor-trichlor-methan CCl3F F 11 137,5 24
Difluor-dichlor-methan CCl2F2 F 12 121 -30
Trifluor-chlor-methan CClF3 F 13 104,5 -81,5
Fluor-dichlor-methan CHCl2F F 21 103 9
Difluor-chlor-methan CHClF2 F 22 86,5 -41
Trifluor-methan (Fluoroform) CHF3 F 23 70 -82
1,1,2-Trifluor-trichlor-ethan CClF2-CCl2F F 113 187,5 47,5
1,1,2,2-Tetrafluor-dichlor-ethan CClF2-CClF2 F 114 171 -3,5

Werden nun im CCl4, wie es bei der Herstellung der Fluor-chlor-alkane geschieht, die Cl-Atome nacheinander durch F-Atome ersetzt, fällt der Siedepunkt wieder:

Fluor-chlor-alkane CCl4 CCl3F CCl2F2 CClF3
Siedepunkte: 77 °C 24 °C -30 °C - 81,5 °C

Beim Eintritt in Alkanmoleküle verursacht Chlor eine Erhöhung, Fluor eine Erniedrigung des Siedepunktes. In den Fluor-chlor-alkanen gleichen sich beide Einflüsse etwas aus.

Frigen-Dämpfe bis zu einer Konzentration von etwa 20 Vol-% in Luft sind geruchlos. Höhere Dampfkonzentrationen und die Flüssigkeiten riechen schwach süßlich, aber nicht unangenehm oder reizend. Frigene sind außerdem ungiftig. Die Giftigkeit der Chloralkane, der Ausgangsverbindungen der Frigene, nimmt um so weiter ab, je mehr F-Atome in die Moleküle eintreten. Frigene sind unbrennbar und bilden mit Luft keine explosiven Gasgemische. Sie können im Gegenteil als zündungshemmende Zusätze verwendet werden. So ist z. B. ein explosives Gasgemisch aus Hexan-Dämpfen und Luft beliebiger Konzentration nach Zusatz von 15 Vol-% F 12 nicht mehr entzündbar. Allgemein kann man sagen, daß eine Verbindung unbrennbar ist, wenn zwei oder mehr Halogenatome im Molekül enthalten sind. Chlor erhöht dabei die Nichtbrennbarkeit stärker als Fluor.

Neben einer thermischen Stabilität bis 500 °C  besitzen Frigene auch eine hohe chemische Stabilität. Diese ist um so größer, je mehr F-Atome das Molekül enthält. Die Löslichkeit in Wasser ist äußerst gering; auch eine Spaltung mittels Wasser durch Hydrolyse wird nicht beobachtet.

Bei der Zersetzung von Frigenen in Flammen, wenn z. B. die Dämpfe in eine Bunsenbrennerflamme gelangen, entsteht HF und HCl, die dann an ihrem stechenden Geruch wahrnehmbar sind.

Verhalten gegenüber Metallen: Alle im Apparatebau allgemein verwendeten Metalle werden von Frigenen, ob flüssig oder dampfförmig, nicht angegriffen, ausgenommen Magnesium und Aluminium, die von feuchten Frigenen angegriffen werden können.

 

Technische Gewinnung

Ausgangsprodukte sind die Chlorderivate des Methans (CCl4, CHCl3) und Ethans (CCl3-CCl3). Da diese ihrerseits durch Chlorierung aus Methan bzw. Ethan gewonnen werden, kann man sagen, daß die beiden wichtigen Kohlenwasserstoffe CH4 und C2H6 die eigentlichen Ausgangsstoffe für Fluor-chlor-alkane sind und die Chlorderivate nur als Zwischenprodukte auftreten.

Für die Herstellung der Fluor-chlor-alkane werden die entsprechenden Chlor-alkane mit wasserfreier Flußsäure bei Anwesenheit von SbCl5 als Katalysator umgesetzt. Dabei treten F-Atome an die Stelle von Cl-Atomen. Durch die Wahl der Reaktionsbedingungen (Menge an HF und Katalysator, Temperatur und Druck) kann die Zahl der in das Molekül eintretende F-Atome gesteuert werden.

Beispiele:

F12 CCl2F2 Ausgangsstoff: CCl4 Tetrachlorkohlenstoff
Nebenprodukte: 10 % F11  (CCl3F), wenig F 13 (CClF3)
F 23 CHF3 Ausgangsstoff: CHCl3 Chloroform
F 113 CClF2-CCl2F Ausgangsstoff: C2Cl6 Hexachlorethan

Die Reaktionen werden in Stahlgefäßen durchgeführt. Die entstandenen Fluor-chlor-alkane verdampfen bei der Reaktionstemperatur zusammen mit HCl und werden durch Auswaschen von HCl befreit. Die letzte Reinigung besteht in einer Destillation.

 

Verwendung und Einsatz

Die Einsatzmöglichkeiten der Fluor-chlor-alkane werden bestimmt durch ihre herausragenden Eigenschaften:

Gase bzw. niedrigsiedende Flüssigkeiten; unbrennbar; ungiftig; nahezu geruchlos; nicht korrodierend, chemisch und thermisch sehr stabil.

Von besonderer Bedeutung sind die Fluor-chlor-methane, während sich die entsprechenden Ethanderivate wegen ihrer etwas ungünstigeren physikalischen Eigenschaften nicht so eingeführt haben.

Anwendungen:

Kältemittel. Darunter versteht man den Arbeitsstoff in Kältemaschinen, die zur Erzeugung tiefer Temperaturen in Kühlhäusern und Klimaanlagen sowie bei der Gasverflüssigung dienen. Kältemittel müssen leicht verflüssigbare Gase oder, seltener, leicht verdampfbare Flüssigkeiten sein.

Bisher waren als Kältemittel gebräuchlich: NH3 Ammoniak, SO2 Schwefeldioxyd oder CH3Cl Chlormethan (Methylchlorid). Diese haben aber gewisse Nachteile: sie sind zum Teil brennbar, ätzend, stark riechend, explosiv, korrodierend und giftig, genügen also nicht den Sicherheitsanforderungen. Die Frigene besitzen diese Nachteile nicht und werden deswegen als Sicherheitskältemittel besonders in den Haushaltskühlschränken verwendet. Lebensmittel, die infolge schadhafter Kälteaggregate mit Frigenen in Berührung kommen, werden weder chemisch angegriffen oder verändert noch geschmacklich beeinflußt.

Treibmittel. Für das Versprühen von Parfüm, Haaröl, Rasierschaum, Schuhcreme, Schädlingsbekämpfungsmitteln, Desinfektionsmitteln oder Farblacken aus den heute allgemein gebräuchlichen Sprühdosen benötigt man Stoffe, die den gelösten Stoff gut aufnehmen und einen geringen Überdruck (auf Grund ihres Dampfdruckes) erzeugen, so daß beim Öffnen der Sprühdose der Inhalt unter der Wirkung des Treibmittels als Nebel fein versprüht wird. Es ist dabei wichtig, daß das Treibmittel aus Sicherheitsgründen ungiftig, unbrennbar und geruchlos sein muss. Frigene besitzen diese Eigenschaften.

Feuerlöschmittel. Unbrennbarkeit und leichtes Verdampfen (Versprühen) machen die Fluor-chlor-alkane zu guten Feuerlöschmitteln. Es ist dabei aber zu bedenken, daß  sich die Frigene in Flammen zersetzen, wobei die stark ätzenden Säuredämpfe von HF und HCl auftreten.

Zwischenprodukte für chemische Synthesen. Obwohl Fluor-chlor-alkane chemisch sehr stabil sind, kann man sie durch energische Reaktionen in andere wichtige Verbindungen überführen. Erwähnt seien F 22 als Ausgangsprodukt für C2F4 Tetrafluorethylen und F 113 für C2ClF3 Trifluorchlorethylen. CCl2F2 Difluordichlormethan oder F12 ist die weitaus wichtigste und deswegen am meisten hergestellte Verbindung der Fluor-chlor-alkane und findet als Kälte- und Treibmittel ausgedehnte Anwendung. Für diesen Zweck werden aber auch andere Frigene, wenn auch in geringerem Umfange, eingesetzt.